Die Kraft der Kultur auch in der Krise?
Rund 50 Veranstalter und ein neues Talkformat „Rheinische Kulturfragen“ versprechen spannende Sommermonate
Ab September startet der Spielbetrieb in großen Häusern. Ist das eine Rückkehr zur Realität? „Ich würde es mir wünschen, aber dafür bin ich viel zu realistisch“, sagt NRW Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen. „Aber es wird nicht so sein wird vorher.“ Tristan im Taschenformat, Wagner auf Parkdecks. „Ich finde erstmal gut, dass man was probiert. Man müsste eigentlich auch noch viel mehr probieren“, sagt Prof. Noltze, Autor und Medientheoretiker. „Im Museum Ludwig gab es bereits eine digitale Eröffnung einer Ausstellung. Verrückt? Ja, ein wenig. Aber es hat geklappt“, sagt Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig.
Bei den „Rheinischen Kulturfragen“ diskutierte eine hochkarätige Gruppe zu Kultur und Corona. Es ist der Auftakt zum Rheinischen Kultursommer.
Die Coronakrise hat das Leben in Deutschland ebenso auf den Kopf gestellt wie das der Kultur. Wie sehr, das diskutierten am vergangenen Sonntag die Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, Autor und Medientheoretiker Holger Noltze und Yilmaz Dziewior, seines Zeichens Direktor des Museums Ludwig und Kurator des deutschen Pavillons bei der Biennale in Venedig 2022. Die Diskussion eröffnete am Sonntag den Rheinischen Kultursommer der Metropolregion Rheinland.
Sie alle sind eng mit der Kultur im Rheinland verbunden und sie alle kennen die Einschränkungen, die diese seit Monaten erlebt. Immerhin muss die Kultur nicht nur hierzulande seit Ausbruch der Pandemie mit geschlossenen Konzerthäusern, abgesagten Theaterpremieren und zugesperrten Museen kämpfen. Während Restaurants sich mit Essen zum Mitnehmen über Wasser hielten, gab es solche Möglichkeiten in der Kultur allenfalls begrenzt. Der einzige Ausweg, das wird in der Diskussion klar: das Digitale. Streams und Übertragungen können ganz neue Zuschauer anziehen, glaubt etwa Holger Noltze, Professor der TU Dortmund. Er sieht gar im Digitalen einen Appetitanreger für das Analoge, glaubt, dass beides nebeneinander existieren kann – und vielleicht sogar muss. Er selbst plädiert aber dafür, nicht alles ins Netz zu stellen, was sich ebenso finde und dann auch noch gratis. Das würde den Wert der Kunst und Kultur eher kaputt machen, als dass es Rettungsanker in solch schwierigen Zeiten sein kann.
Das ist allerdings ein Gedanke, den der Direktor des Museum Ludwig, Yilmaz Dziewior, nur zu Teilen unterstützen kann. Auch er sieht, das machte er bei der Diskussion deutlich, viele Chancen im Digitalen, darin, auch den verschiedenen Plattformen unterwegs zu sein. So zeigte sein Museum beispielsweise eine ganze Eröffnung einer Ausstellung im Netz. Über die Foto-Plattform Instagram kommentierten die Menschen von zu Hause aus Live. Eben solches Potenzial möchte er künftig noch mehr nutzen, sagt er und pflichtet damit Holger Noltze bei – doch denkt er anders übers Geld. Denn ein Eintritt von 13 Euro sei immer noch viel Geld, gerade für Familien. Wolle man aber inklusiv denken, müsse man auch über neue Modelle nachdenken, sagt er.
Und auch Isabel Pfeiffer Poensgen, Kulturministerin in NRW, dachte laut über Geld nach. So sah sie vor allen Dingen ein Problem in der mangelnden Absicherung der freien Künstler. Da brauche man einfach mehr als die Künstlersozialkasse, die heute das Nötigste für Freiberufler mache, die im Bereich der Kultur unterwegs sind. Eins aber, das war ganz klar für sie und das machte sie auch deutlich, werde so schnell nicht wiederkommen: die Realität wie es sie vor der Krise gab. Zwar würde sie sich das wünschen, doch müsse man eben realistisch sein. Und wenn nichts funktioniere, bleibe eben die Flexibilität aufs Digital auszuweichen.
Der Rheinischen Kultursommer
Der Rheinische Kultursommer (RKS) ist eine regionale Kulturkooperation der NRW-Kulturregionen Niederrhein, Aachen, Bergisches Land und Rheinschiene unter der Federführung der Metropolregion Rheinland. Innerhalb einer übergreifenden „Klammer“ werden Formate aller kulturellen Bereiche (Theater, Musik, Literatur, Kunst, Film, Kunterbunt) gemeinsam präsentiert. Der RKS macht so die kulturelle Vielfalt der Regionen in der öffentlichen Wahrnehmung einem größeren Publikum über die lokalen Grenzen hinaus bekannt. Er leistet einen Beitrag zur Profilierung der kulturellen Identität und zur Stärkung der Metropolregion Rheinland als (kultur-)touristische Destination und lebenswertes Umfeld für Arbeit und Wohnen. Die Sommerzeit zwischen dem 21.06. (Sommeranfang) und dem 23.09. (Herbstbeginn) fördert besonders die Begegnung mit kulturellen Ereignissen im Alltag der Menschen – fern der sonst üblichen Bühnen und oft im Freien sowie an ungewöhnlichen Orten. Der Rheinische Kultursommer wird im Rahmen des Förderprogramms der Regionalen Kulturpolitik des Landes NRW finanziell unterstützt.
Weitere Informationen unter www.rheinischer-kultursommer.de (Änderungen vorbehalten)
Die Rheinischen Kulturfragen
Der Rheinische Kultursommer der Metropolregion Rheinland will seine Funktion als Netzwerk-, Begegnungs- und Matching- Plattform gezielt weiterentwickeln. Ein neu geschaffenes Diskussionsformat unter dem Titel „Rheinische Kulturfragen“ wird künftig zu Beginn des Rheinischen Kultursommers Stellung beziehen und sich mit gesellschaftlich relevanten Fragen der Gegenwart und der Bedeutung von Kultur in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft kritisch auseinandersetzen. Die Veranstalter des Rheinischen Kultursommers sollen erfahren, worauf sie sich inhaltlich und organisatorisch künftig bei aktuellen Themen und Entwicklungen einstellen müssen. Im Wettbewerb mit anderen Kulturregionen außerhalb der Metropolregion werden bei den „Rheinischen Kulturfragen“ mit Blick auf die Zukunft und Best Practise-Beispielen neue Impulse gesetzt. WDR 3 ist seit 2020 Kulturpartner des Rheinischen Kultursommers. Die Rheinischen Kulturfragen werden gefördert vom Land NRW.